node created 2019/09/29
Sie werfen die Bomben ganz in der Nähe ab, das dröhnt, verbreitet Schrecken. Wir fühlen uns nicht mehr so verlassen. Sie sind da, das Geräusch dauert fort, wir richten uns auf, wir lauschen; sie sind mächtig, unangreifbar. Die SS zittert. Wir haben keine Angst, und wenn wir Angst haben, ist es eine Angst, die gleichzeitig auch lachen macht. Sie sitzen in ihrer kleinen Kabine, sie sind gekommen, um eine Stunde über Deutschland zu verbringen, sie werden nie wissen, wer wir sind, doch die Bombardierung buchen wir für uns. Wir kosten die Angst der SS ganz aus.
"Das Menschengeschlecht"
Seite 91
Die Bürger demokratischer Gesellschaften sollten Kurse für geistige Selbstverteidigung besuchen, um sich gegen Manipulation und Kontrolle wehren zu können.
Wenn Du vor mir stehst und mich ansiehst, was weißt Du von den Schmerzen, die in mir sind und was weiß ich von den Deinen. Und wenn ich mich vor Dir niederwerfen würde und weinen und erzählen, was wüsstest Du von mir mehr als von der Hölle, wenn Dir jemand erzählt, sie ist heiß und fürchterlich. Schon darum sollten wir Menschen voreinander so ehrfürchtig, so nachdenklich, so liebend stehn wie vor dem Eingang zur Hölle.

Der Mond

Und grämt dich, Edler, noch ein Wort
Der kleinen Neidgesellen?
Der hohe Mond, er leuchtet dort,
Und läßt die Hunde bellen
Und schweigt und wandelt ruhig fort,
Was Nacht ist, aufzuhellen.
Bislang wurden die Behörden erst dann aktiv, wenn eine Straftat vorlag, und man ging zum Arzt, wenn man krank war. Inzwischen aber lässt sich immer genauer berechnen, ob ein Mensch womöglich kurz davor steht, eine kriminelle Handlung zu begehen, oder eine noch gesunde Patientin eine erhöhte Wahrscheinlichkeit aufweist, zum Beispiel an Brustkrebs zu erkranken. Sie ist noch nicht krank, jedoch zeigen genetische Daten und bestimmte andere biologische Indikatoren, dass sie in der Zukunft erkranken könnte. Und an genau dieser Stelle überschreiten wir den Rubikon zwischen Realität und dem digitalen Abbild: Nicht der Mensch an sich, sondern die Vorhersage des Modells wird Grundlage des Handelns. Der noch gesunden Patientin entfernt man vorsorglich die Brüste, und der unbescholtene Bürger wird vorsorglich womöglich verhaftet.
Gott kann, was er will, darum hat er dich sich selbst völlig gleich gemacht und dich zu einem Bild seiner selbst gemacht. Aber »ihm gleich«, das klingt wie etwas Fremdes und etwas Entferntes; darum ist die Seele Gott nicht gleich, sie ist ganz und gar das Gleiche wie er und dasselbe was er ist. Ich weiss und kann nicht weiter, damit sei diese Rede zu Ende.
Wem in einem anders ist als im andern und wem Gott lieber in einem als im andern ist, der Mensch ist gewöhnlich und noch fern und ein Kind. Aber wem Gott gleich ist in allen Dingen, der ist zum Mann geworden. Aber wem alle Kreaturen überflüssig und fremd sind, der ist zum Rechten gekommen.
Auf meinem Nachttisch stehen zwei Rosen. An die Stiele und das Blatt, die ins Wasser hängen, haben sich winzige Perlen gereiht. Wie schön und rein dies aussieht, welch kühlen Gleichmut es ausstrahlt. Dass es dieses gibt. Dass der Wald so einfach weiter wächst, das Korn und die Blumen, dass Wasserstoff und Sauerstoff sich zusammengetan haben zu solch wunderbaren lauwarmen Sommerregentropfen. Manchmal kommt mir dies mit solcher Macht zu Bewusstsein, dass ich ganz voll davon bin und keinen Platz mehr habe auch nur für einen einzigen Gedanken. Dies alles gibt es, trotzdem sich der Mensch inmitten der ganzen Schöpfung so unmenschlich und nicht einmal tierisch aufführt. Allein dies ist schon eine große Gnade.
17. Juni 1940
"Was hältst Du von Frauenrechtlerinnen?"

"Das meiste ist Giftmischerei pur. Sie versprühen das Gift pauschal über alle, praktizieren generell Feindschaft gegen Männer und nur selten gegen das in der Tat bestehende wirkliche Unrecht gegen sie. Kämpfen tumb gegen Wörter. Sagen nun statt 'man' - 'frau', was saudumm klingt. Und kommt dann ein Macho daher, lecken sie ihm das Salz von der Haut..."

Die Frau am Nebentisch guckte voller Haß herüber, stand auf, warf wie mit Gewalt die Zigarettenschachtel in die Tasche und ging mit angezogenem Kinn im Hackschritt weg. Aus vier Metern Entfernung zischte sie laut genug, daß wir es hören konnten: "Arschloch, dämliches!" und lief weiter.
"Gastmahl auf Gomera"
Wenn ich beten will und überlege mir, zu wem ich bete, da könnte ich ganz verrückt werden, da werde ich dann so winzig klein, ich fürchte mich direkt, so dass kein anderes Gefühl als das der Furcht aufkommen kann. Überhaupt fühle ich mich so ohnmächtig, und ich bin es wohl auch. Ich kann um nichts anderes beten, als um das Betenkönnen. Weißt du, wenn ich Gott denke, da stehe ich da wie ganz mit Blindheit geschlagen, ich kann gar nichts tun. Ich habe keine, keine Ahnung von Gott, kein Verhältnis zu ihm. Nur eben, dass ich das weiß. Und da hilft wohl nichts anderes als Beten. Beten.
Dezember 1941
Die wissenschaftliche Medizin behandelt den Kranken und seine Krankheit als Objekt und weist ihm beinahe verächtlich die Rolle absoluter Passivität zu; er hat nichts zu fragen und nichts zu sagen, nichts zu tun als den Anordnungen des Arztes gehorsam und sogar gedankenlos zu folgen.
Einsiedelei ist widerlich, man lege seine Eier ehrlich vor aller Welt, die Sonne wird sie ausbrüten; man beiße lieber ins Leben statt in seine Zunge; man ehre den Maulwurf und seine Art, aber man mache ihn nicht zu seinem Heiligen.
Brief an Oskar Pollak, 6. September 1903
Rührt ein Übel von dir selbst her, warum tust du's? Kommt es etwa von einem andern, wem machst du Vorwürfe? Etwa den Atomen oder den Göttern? Beides ist unsinnig. Hier ist niemand anzuklagen. Denn, kannst du, so bessere den Urheber; kannst du das aber nicht, so bessere wenigstens die Sache selbst; kannst du aber auch das nicht, wozu frommt dir das Anklagen? Denn ohne Zweck soll man nichts tun.
"Selbstbetrachtungen"
Auf einem Dampfer, der in die falsche Richtung fährt, kann man nicht sehr weit in die richtige Richtung gehen.
Wand, ich bewundere dich, daß du noch nicht zusammengebrochen, so viel ödes Geschwätz bist du zu tragen verdammt.
"Pompeji" von August Mau (1900)
Es ist möglicherweise der spektakulärste Moment des Widerstands des zwanzigsten Jahrhunderts, der mir einfällt.. die Tatsache, dass fünf kleine Kinder, im Rachen des Wolfes, wo es wirklich darauf ankam, die ungeheure Courage hatte, zu tun, was sie taten, ist spektakulär für mich. Ich weiß, dass die Welt besser ist, weil sie da waren, aber ich weiß nicht warum.
Unser Herr spricht zu einer jeglichen liebenden Seele: »Ich bin euch Mensch gewesen, wenn ihr mir nicht Götter seid, so tut ihr mir unrecht. Mit meiner göttlichen Natur wohnte ich in eurer menschlichen Natur, so dass niemand meine göttliche Gewalt kannte und man mich wandeln sah wie einen andern Menschen. So sollt ihr euch mit eurer menschlichen Natur in meiner göttlichen Natur bergen, dass niemand eure menschliche Schwäche an euch erkenne und dass euer Leben zumal göttlich sei, dass man an euch nichts erkenne als Gott.« Und das geschieht nicht dadurch, dass wir süsse Worte und geistliche Gebärden annehmen und dass wir im Geruch der Heiligkeit stehen oder dass unser Name fern und weit getragen werde und wir von Gottes Freunden geliebt werden oder dass wir von Gott so verwöhnt und verzärtelt sind, dass es uns vorkommt, Gott habe alle Kreaturen vergessen bis auf uns allein, und dass wir wähnen, was wir von Gott begehren, das sei jetzt alles geschehen. Nein, nicht also! Nicht das heischt Gott von uns; es steht ganz anders.

Er will, dass wir frei und unbewegt gefunden werden, so man uns nachsagt, wir seien falsche und unwahrhafte Leute, und was man sonst von uns sprechen kann, um uns unsern guten Leumund zu nehmen, und nicht allein, dass man schlecht von uns spricht, sondern auch schlecht gegen uns handelt und uns die Hilfe entzieht, die wir für unsern Lebensbedarf nicht entbehren können, und nicht allein am Bedarf göttlicher Dinge, sondern uns auch an unserm Körper schädigt, dass wir krank werden oder sonst in schmerzliche Mühsal des Körpers verfallen, und wenn die Leute, während wir in allen unsern Werken das allerbeste tun, das wir ersinnen können, uns das zum allerbösesten kehren, das sie ersinnen können, und wenn wir das nicht allein von den Menschen erdulden, sondern auch von Gott, so dass er uns den Trost seiner Gegenwart entzieht und gerade so tut, als wäre eine Mauer zwischen uns und ihm aufgerichtet, und wenn er, falls wir mit unsrer Mühsal zu ihm kommen, um Trost und Hülfe zu suchen, sich dann gegen uns benimmt, wie wenn er seine Augen vor uns schlösse, so dass er uns nicht sehen noch hören will und er uns allein stehen lässt im Kampf mit unsern Nöten, wie Christus von seinem Vater verlassen ward: sehet, dann sollten wir uns in seiner göttlichen Natur bergen, dass wir in unserer Trostlosigkeit so unerschüttert stünden, uns mit nichts anderm zu helfen als allein mit dem Worte, das Christus sprach: »Vater, all dein Wille werde an mir vollbracht.«
"Von guten Gaben"
Verbrecher gehören eigentlich nicht in das Konzentrationslager. Daß sie dennoch eine permanente Kategorie in allen Lagern bilden, ist vom Standpunkt des totalen Herrschaftsapparats aus gesehen eine Art Konzession an die Vorurteile der Gesellschaft, die man auf diese Weise am leichtesten an die Existenz der Lager gewöhnen kann.
"Elemente und Ursprünge totaler Herrschaft", S. 657
Der Paß ist der edelste Teil von einem Menschen. Er kommt auch nicht auf so einfache Weise zustand wie ein Mensch. Ein Mensch kann überall zustandkommen, auf die leichtsinnigste Art und ohne gescheiten Grund, aber ein Paß niemals. Dafür wird er auch anerkannt, wenn er gut ist, während ein Mensch noch so gut sein kann und doch nicht anerkannt wird.

Man kann sagen, der Mensch ist nur der mechanische Halter eines Passes. Der Paß wird ihm in die Brusttasche gesteckt wie die Aktienpakete in das Safe gesteckt werden, das an und für sich keinen Wert hat, aber Wertgegenstände enthält.

Und doch könnte man behaupten, dass der Mensch in gewisser Hinsicht für den Paß notwendig ist. Der Paß ist die Hauptsache, Hut ab vor ihm, aber ohne dazugehörigen Menschen wäre er nicht möglich oder mindestens nicht ganz...
"Flüchtlingsgespräche"
Bedenke, dass du nicht gegen deine Freiheit handelst, wenn du deine Meinung änderst und dem, der sie berichtigt, nachgibst. Denn auch dann vollzieht sich deine Tätigkeit nach deinem Willen und Urteil und sogar auch nach deinem Sinn.
"Selbstbetrachtungen"