node created 2019/09/29
Auch in der Tierforschung hat das Verneinen dieser Autonomietriebe zu verzerrten und falschen Ergebnissen geführt. 1967 zeigte der amerikanische Zoologe J. L. Kavanau in einer methodenkritischen Studie, daß experimentelle Situationen oft eher arrangiert werden, um vorgefaßte Ideen der Forscher zu bestätigen, als daß sie über die tatsächlichen Reaktionen der Versuchstiere (und ihren bedeutungsmäßigen Hintergrund) Aufschluß geben. Tiere zum Beispiel, die (aus Gründen der Anordnung) zum Zweck des Experimentierens in eine ihre Lebensbedingungen einschränkende Situation gezwungen werden, zeigen Reaktionen, die vom Beobachter als fehlerhaft eingestuft werden. Aus der Perspektive des Verhaltens der entsprechenden Tiere jedoch stellen diese »fehlerhaften« Verhaltensweisen bereichernde Variationen innerhalb ihrer für das Experiment einförmig gehaltenen Umgebung dar. Was für das Tier eine adaptive Reaktion gegenüber einschränkenden Lebensbedingungen ist, die zum Beispiel im Labyrinthlernen seinen Lebensbereich durch Abweichung und Anderung erweitern, ist für den Beobachter »fehlerhaftes« Verhalten, das über Lernprozesse oder biologische Bedürfnisse des Tieres Auskunft geben soll. Der Forscher muß ja das Verhalten des Tieres vom Standpunkt seines theoretischen Bezugsrahmens aus sehen, das Leben und die Lebendigkeit des Tieres als solche interessieren ihn nicht. Die »Fehler« des Tieres sind hier Artefakte einer mehr forscherspezifischen als tierspezifischen Versuchsanordnung. Was Kavanau illustriert und was die meisten Tierforscher ihrer eigenen Vorurteile wegen verneinen müssen, ist der unabweisbare Sachverhalt, daß im Leben Kräfte auftreten, die sich dem Auferlegen zwangsmäßiger Bedingungen entgegenstellen.

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Triebe wurden als unveränderliche und im Grunde bösartige Instinkte angesehen, die nur durch den Sozialisierungsprozeß zurückgehalten werden können (A. Gruen und M. Hertzman, 1972). Nicht nur wurde die Anpassung an die gegebene Realität zum Ziel der Entwicklung, sondern das Pathologische wurde als ein Versagen verstanden, sich der Realität anzupassen. Die Validität dieser Realität wurde nicht in Frage gestellt. Die Schuld am Kranksein trug der Kranke selbst. Daß das Pathologische angesichts pseudo-sozialer Realitäten manchmal die einzige Art sein könnte, Autonomie überhaupt aufrechtzuerhalten, lag völlig außerhalb des Rahmens solch einer Denkweise.
"Der Verrat am Selbst"
Die amerikanische Gesellschaft ist heute zivilisierter als früher. Das verdanken wir der Entwicklung in den sechziger Jahren. Unsere Gesellschaft, und auch die in Europa, wurde damals freier, offener, demokratischer und damit für viele furchteinflößend. Dafür wurde diese Generation verurteilt. Aber es hat Wirkung gezeigt.
SPIEGEL 41/2008, S. 185
Hinter dem technologischen Schleier, hinter dem politischen Schleier der Demokratie zeigt sich die Realität: die universale Knechtschaft, der Verlust menschlicher Würde bei vorfabrizierter Wahlfreiheit. Und die Machtstruktur tritt nicht mehr 'sublimiert' auf im Stil einer liberalistischen Kultur, nicht einmal mehr heuchlerisch (so daß sie zumindest die 'Förmlichkeiten', die Hülse von Würde, beibehielte), sondern brutal, indem sie allen Anspruch auf Wahrheit und Gerechtigkeit über Bord wirft.
"Konterrevolution & Revolte" (1973)
Wie unterschwellig solche Mechanismen funktionieren, zeigt folgendes Beispiel (vgl. Tages-Anzeiger, T.A., Zürich vom 11.2.1994). Beim Aussteigen aus einer Straßenbahn fühlt sich ein siebenundsiebzigjähriger Mann von einem anderen Mann behindert, weil dieser, da er mit dem Fahrer spricht, den Ausstieg blockiert. Der ältere Mann zieht einen Revolver, gibt aus einer Distanz von zwei bis drei Metern vier Schüsse auf den anderen ab und verschwindet. Zufällig wird der Schütze vier Wochen später in einem Restaurant wiedererkannt und verhaftet. Er streitet ab, geschossen zu haben, trägt aber eine Waffe ohne Waffenschein bei sich. Bei der Durchsuchung seines Hauses entdeckt die Polizei ein Waffenlager. Schließlich gesteht der Mann die Tat. Er macht jedoch geltend, "im Affekt" gehandelt zu haben, vom anderen "erschreckt" worden zu sein.

Eine gerichtliche Untersuchung wird eingeleitet und dann eingestellt. Laut Stellungnahme der Staatsanwältin habe sich der Siebenundsiebzigjährige in einem "Sachverhaltsirrtum" befunden. Er habe irrtümlich angenommen, er befinde sich in einer Notwehrsituation und sei deshalb berechtigt gewesen, sich zu wehren. Es sei verständlich, so die Staatsanwältin, daß er "übersensibel auf aggressive Spannungen und Äußerungen" reagiere.

"Was habe ich getan", fragte das Opfer einen Journalisten, "daß er auf mich schießen durfte?"

Wie sollen wir das "Mitgefühl" dieser Staatsanwältin verstehen? Warum stellt sie sich auf die Seite des Täters und schützt andere Bürger nicht vor ihm? Gibt ihre Haltung nicht jedem die Erlaubnis, zu morden? Was ist das für ein Mitgefühl, das uns gegen unsere eigenen Bedürfnisse und Interessen verstoßen, das uns den Schmerz des Opfers beiseiteschieben läßt und die tödliche Gefahr, die vom Täter ausgeht, verneint?
"Der Verlust des Mitgefühls"

Spruch

Laß die wilden Tiere
in Ruh:
Keines mordet
wie du
Abends, halb elf.
Ich schiebe den Marc Aurel zur Seite, ich schiebe ihn schwer zur Seite. Ich glaube, ich könnte jetzt ohne ihn nicht leben, denn schon zwei, drei Sprüche, im Marc Aurel gelesen, machen gefaßter und straffer, wenn auch das ganze Buch nur von einem erzählt, der mit klugem Wort und hartem Hammer und weitem Ausblick sich zu einem beherrschten, ehernen, aufrechten Menschen machen möchte. Aber man muß gegen einen Menschen ungläubig werden, wenn man immerfort hört, wie er zu sich redet: "Sei doch ruhig, sei doch gleichgültig, gib die Leidenschaften dem Wind, sei doch standfest, sei doch ein guter Kaiser!" Gut ist es, wenn man sich vor sich selbst mit Worten zuschütten kann, aber noch besser ist es, wenn man sich mit Worten ausschmücken und behängen kann, bis man ein Mensch wird, wie man es im Herzen wünscht.
Brief an Oskar Pollak, 10. Januar 1904
Verbringe die Zeit nicht mit der Suche nach einem Hindernis. Vielleicht ist keines da.
Aber die Sprache um ein Wort ärmer machen heißt das Denken der Nation um einen Begriff ärmer machen.
Aus Łódź, das fünf Jahre Litzmannstadt hieß, fliehen die Deutschen in ganzen Völkerschwärmen. Das Elend der gehetzten Haufen, die jetzt durch den östlichen Januarsturm in den polnischen Schneestürmen westwärts zurückjagen, muß grauenhaft sein.

Schreckensbilder bedrängen meine Phantasie, Mitleid belichtet den gräßlichen Filmstreifen, der sich in meinem Bewußtsein abrollt. Mitleid auch mit euch, ihr mitschuldigen Opfer von heute, die ihr kein Mitleid spürtet, als die Besiegten von damals in bitterste Lebensnot kamen. Auch die Deutschen sind zuletzt nur arme, verführte Menschen, mögen sie auch zwölf Jahre lang die Humanität bespuckt haben. Wehe, ihr Unglücklichen.

Die Deutschen haben das Philosophem vom totalen Kriege, also vom Kriege gegen Schwangerschaft, Kindersingen und Greisenschwäche geprägt. Und wie furchtbar tiefsinnig ihr euch auch aufführt, wenn ihr den Mord an der Menschheit als die höchste Offenbarung geschichtlicher Ordnung gepriesen habt. Ihr schämtet euch nicht, als angebliche Geisteserben von Kant und Hegel auf die Katheder und Tribünen zu treten, um den Ethos des Galgens mit purpurnen Phrasen zu feiern. -

So, ihr seid unschuldig, ihr wißt von nichts? Schuldig sind wohl nur die Gauschulungsleiter, die diese bluttriefende Weltbetrachtung in die leeren Schädel trichterten. Da fällt mir gerade ein kleines Erlebnis Anfang Dezember 1939 auf einem kleinen Bahnhof bei Posen ein. Ich hörte polnische Zivilgefangene in einem Güterzug lamentieren, es war gegen Abend, und es regnete trostlos.

"Haben die Menschen da drin denn heute wenigstens schon etwas zu essen bekommen?" fragte ich eine Schwester, die gerade Bohnenkaffee für ihren Freund kochte.

"Nein", erklärte die junge Hakenkreuzschwester patzig. "Und die kriegen auch nichts, heute nichts und morgen nichts."

Als ich sie finster musterte, zuckte sie die Achseln und ließ sich zu einer Begründung herab. "C'est la guerre!" sagte sie ohne Bedauern. Es waren vielleicht die einzigen französischen Worte, die das herzlose junge Ding gewußt haben mochte.

Aber da höre ich schon einen Verteidiger mit dem falschen Zungenschlag der Diktatur einwenden: was beweist denn schon das bißchen Herzensträgheit einer dummen Gans!

Also dann bitte ein anderes Erlebnis, eine Woche später in Łódź, dem düsteren Hauptquartier der Webstühle. Das Grand-Hotel in der Petrikauer Straße hatte eine prächtige Nazi-Festkulisse vorgebaut; Baldur von Schirach war nämlich gekommen, um die angeblich volksdeutsch gesinnte Polenjugend von Łódź zu befeuern.

Während ein paar Haufen halbverhungerter polnischer Bürschchen an dem fetten, selbstzufriedenen Baldur vorübermarschieren mußten und als die Vorkämpfer der künftigen "deutsch-europäischen Jugendgenerationen" begrüßt wurden, waren ein paar hundert widerspenstige Jungpolen, die man zum Abtransport zusammengetrieben hatte, in einem Bretterschuppen außerhalb der Stadt tatsächlich - verhungert und erfroren. Ich ließ die Mitteilung nachprüfen. Und sie stimmte bis in alle haarsträubenden Einzelheiten. Sobald die Flügeltüren des Schuppens geöffnet wurden, fielen die blaugefrorenen Leichen wie verdorbene Stapelware heraus.

Als ich daraufhin den Gebietsführer der Hitlerjugend, einen Studienreferendar, zur Rede stellte, war der Edelpädagoge nicht im geringsten verlegen. "Aber wir haben ja doch", lächelte er mit der verbindlichen Sicherheit eines Karrieristen, "mindestens zehn Millionen Polen zuviel, wir können doch solch eine kompakte Masse nicht eindeutschen. Da müssen sie doch peu à peu verschwinden, am besten so schnell und unauffällig, wie es die Kriegsverhältnisse gestatten!"

Noch nicht kleinlaut, Herr Verteidiger am falschen Ort! Sie meinen, es handle sich um einen unreifen jungen Mann, dem die Kriegspsychose in den Kopf gestiegen sei wie früher Bierkommers. Dann ein drittes Erlebnis, weitere acht Tage später in Warschau.

Ich hatte dort eine Aussprache mit einem hohen Richter, jetzt Mitglied des obersten Feldgerichts der Besatzungsarmee. Dieser weißhaarige Herr war gewiß kein Prototyp der Nazijugend, sondern schon Richter seiner Majestät des Königs von Preußen gewesen.

Es handelte sich bei unserem um den berüchtigten Fall Fritsch, der damals in eingeweihten Kreisen die Gemüter bewegte. Hitler hatte während des Polenfeldzuges befohlen, den früheren Chef der Heeresleitung, Generalobersten von Fritsch, meuchlings zu beseitigen. So sagte man. Die Einzelheiten blieben mysteriös. Nur sein Tod durch Schüsse von hinten war Tatsache.

Ich hatte aus Berlin die Weisung bekommen, auch den Fall Fritsch atmosphärisch noch einmal zu sichten. Als ich an hoher kriegsgerichtlicher Stelle vorfühlte, mußte ich eigentlich damit rechnen, auf finstres Schweigen zu stoßen, aber der alte würdevolle Gerichtspräsident ließ sich mit mir in eine längere rechtsphilosophische Unterhaltung ein.

"Nehmen wir an, der Herr von Fritsch sei wirklich ein Blutopfer der Staatsräson geworden, ja, wäre das denn wirklich ein Grund zur Erregung? Ich weiß natürlich nicht im geringsten, was sich wirklich ereignet hat, ich möchte es auch gar nicht wissen. Aber gesetzt der Fall - dann wäre doch nur ein Staatsschädling rechtzeitig gefallen. Fritsch war der Heros der Mißvergnügten. Nun bedenken Sie, es ginge mal während des Krieges etwas schief - schon wäre der Führer der Revolution vorhanden. Bitte rein theoretisch -"

"Verzeihung", wende ich ein, "hier liegt doch nicht einmal ein Tatverdacht vor, überhaupt kein Anzeichen für eine strafbare Handlung, überhaupt nur die rein theoretische Möglichkeit, die Tat könnte einmal in der Zukunft versucht werden, also nur vages Mißtrauen, und dafür den Tod? -"

"Bemühen sie sich doch nicht um überalterte juristische Erwägungen", sagte ausgerechnet der alte Jurist, der sich als junger Übernazi fühlte, "wir brauchen ein schöpferisches Recht, das die Ganzheit des völkischen Geschehens sieht. Im neuen Volksstaat wird es notwendig sein, auch schon diejenigen Elemente auszumerzen, die eine Disposition zum Staatsfeind in sich tragen."

Und darum, Herr Verteidiger, ein Beispiel für den Naziterror aus brutalem Demonstrationswillen. Es war wieder in Łódź, und es mag wieder acht Tage später gewesen sein, als meine Dienstreise durch das eroberte Polen wieder rückwärts ging. Während ich ganz ahnungslos beim Frühstück in der Glasveranda eines Kaffeehauses saß, begann man draußen in der Mitte des großen Platzes mit einer tollen Flaggenhissung.

An den Bannerquerhölzern von acht hohen Fahnenmasten wurden acht lebendige Menschen hochgezogen. Die waren an den Armen mit Stacheldraht auf das Querholz gekreuzigt, jawohl, so gekreuzigt, daß die Drahtstacheln tief in ihr Fleisch einschnitten. Die acht Gekreuzigten starben erst nach einigen Stunden an den Marterhölzern vier Meter hoch über der Erde mit verzerrten Gesichtern, die nach Erschlaffen der Nacken bis fast auf die Brust herabhingen.

Die acht waren Juden. Sie gehörten demselben Volke an wie ein gewisser Kruzifixus aus Nazareth.

Natürlich hatten wir am Offizierstisch im Kaffeehaus die Sache nicht stillschweigend hingenommen. Wir waren sofort zum "Höheren SS- und Polizeiführer" von Łódź gegangen. Der höhere, hohe Herr bedauerte, uns nicht persönlich zu Diensten swein zu können, aber seine Adjutantur stünde uns mit Untersuchungen zur Verfügung. Der Adjutant war ungemein höflich - man werde ja gleich hören, was da los sei. Er ging ins Nebenzimmer, um deswegen zu telefonieren, er kam wieder, bot neue Zigaretten an und ging wieder telephonieren. Sein Gesicht hatte die nervöse Arroganz des verlegenen Frechlings.

Aber dann kam er strahlend, er hatte alles auf beste aufklären können. "Also die acht Juden mußten wegen Sabotage gehenkt werden -, weniger wegen ihres eigenen Vergehens als wegen des allgemeinen passiven Widerstandes unter der jüdischen Bevölkerung."

Die acht Juden hätten ein Arbeitskommando gebildet, das den Auftrag hatte, mit Spitzhacken den gemauerten Obelisk des ehemaligen Kościuszko-Denkmals abzutragen. Schon in der ersten Arbeitsstunde wären drei Spitzhacken zerbrochen. Da mußte man natürlich durchgreifen, denn sonst könnte man erleben, daß morgen vielleicht pro Mann fünf Spitzhacken entzweigehen würden. Als bleibe gar nichts anderes übrig, als ein Exempel zu statuieren.
"Kampf um den Kopf" (1948), Seiten 192 bis 196
Wer die Toten vergisst, bringt sie noch einmal um.
Zerknüllte Fußgänger schauen einen Augenblick forschend der sausenden Plumpheit unserer "grünen Minna" nach; sie mögen wohl denken: was für eine geheime Fracht haben die Nazis da schon wieder geladen? Von beschädigten Heldenbrüsten blinkt das Parteiemaille, das bunte Tarnungspflaster für alles. Diese geduckten Parteimannen auf den verunstalteten Straßen scheinen verzweifelt zu fragen: Was werden die Nazis schon wieder machen? - obwohl sie selber seit zwölf Jahren Nazis sind.

Ja, ich beobachte scharf und schnell, weil ich monatelang nichts sah als die grauen Wände, auf denen nur die Wanzen spazieren liefen.
"Kampf um den Kopf" (1948), Seite 13
Hat es euch Herz und Augen ausgebrannt?
Sind nicht mehr zehn Gerechte in dem Land?
Ihr seid nicht tierisch, denn so schlägt kein Tier.
Keins eurer Opfer ist so tot wie ihr.
"Den Herrschenden"
Wer aber vom Kapitalismus nicht reden will, sollte auch vom Faschismus schweigen.
Ich habe mir nun auch eine Grabschrift erdacht. Sie soll heißen:

Gute Menschen, wenn etwas Gutes für die Menschheit geschieht, dann gedenkt freundlich in eurer Freude auch meiner.
"Was wünscht ihr?" fragte Sokrates, "vernünftige Seelen zu haben oder unvernünftige?" Vernünftige. "Was für vernünftige? Gesunde oder zerrüttete?" Gesunde. "Warum strebt ihr denn nicht danach?" Weil wir sie schon haben. "Warum zankt ihr euch dann und veruneinigt euch?"
"Selbstbetrachtungen"
Frage: Zum Schlusse Ihrer nun umfangreichen Vernehmung habe ich die Frage an Sie zu richten, ob Sie nicht aus eigenem Entschluss etwas anzugeben haben, was zur Klärung der Sache beitragen kann oder noch nicht aufgeklärt ist.

Antwort: Auf diese Frage möchte ich noch angeben, dass ich am 5. oder 6. Februar 1943, nachdem ich am 4.2. an der Universität die Aufschrift "Freiheit" gesehen hatte, meinen Bruder unter vier Augen mit den Worten zur Rede stellt: "Das stammt wohl von Dir?" ich meinte damit, das Anschreiben des Wortes "Freiheit", worauf ich von ihm lachend die Bestätigung erhielt. Ich weiss nicht mehr ob er nur mit [dem] Kopf nickte, oder meine Frage mit "ja" beantwortete. Ich habe meinem Bruder in diesem Zusammenhang den Rat gegeben, mich bei ähnlichen Schmierereien mitzunehmen, um ihn vor evtl. Überraschungen zu schützen.
Im Kindergarten kenne ich mich nun schon eher aus, manche Kinder habe ich schon sehr liebgewonnen, und ich fühle mich glücklich, wenn sie mir ihr Gunst schenken. Jetzt erst merke ich, wie oberflächlich ich im Grunde mit Kindern umgehe. Es bedarf nicht nur des gegenüber Kindern so schnell aufwallenden Gefühls. Ich verstehe erst, welche grenzenlose Liebe man haben muss, zu allen Lebewesen, um diese unberechenbaren, oftmals bösartigen, oft herzerquickenden kindlichen Seelen überhaupt behandeln zu können. Es gibt so wenige, die soviel Liebe besitzen. Aber auch zu ihr kann man gelangen.
8. Juli 1940
Jede menschliche Vollkommenheit ist einem Fehler verwandt, in welchen überzugehen sie droht; jedoch auch umgekehrt, jeder Fehler, einer Vollkommenheit.
Echtes ehren, Schlechtem wehren, Schweres üben, Schönes lieben.
Es ist wirklich unglaublich, wie nichtssagend und bedeutungsleer, von außen gesehen, und wie dumpf und besinnungslos, von innen empfunden, das Leben der allermeisten Menschen dahinfließt. Es ist ein mattes Sehnen und Quälen, ein träumerisches Taumeln durch die vier Lebenalter hindurch zum Tode, unter Begleitung einer Reihe trivialer Gedanken.